Seltene Erden sind für das 21. Jahrhundert, was Kohle für das 19. und Öl für das 20. war. Unsere Alltagselektronik - und Europas Klimaziele - hängen von ihnen ab. Doch China kontrolliert nahezu alle Lieferketten. Kann Europa sich aus dieser Abhängigkeit befreien?
Oktober 2023
Sie sind in ihrem Handy, in ihrem Laptop und wahrscheinlich auch in der Zahnbürste, die Sie heute in der Früh noch benutzt haben. Ohne sie könnten Windparks keinen Strom generieren und Elektroautos nicht durch unsere Innenstädte surren.
Im 19. Jahrhundert trieb die Kohle die Industrialisierung an, im 20. Jahrhundert schrumpfte die Welt Dank Autos, Schiffen und Flugzeugen, die mit Öl betrieben wurden und nun, im 21. Jahrhundert, sind es Seltene Erden und weitere kritische Rohstoffe, welche den Weg zu einer klimaneutralen Welt ebnen sollen. Ohne sie würde der grüne Umbau unserer Wirtschaft abrupt zum Stillstand kommen.
Bereits heute ist die Nachfrage groß nach Graphit, Kupfer oder Lithium. Forscherinnen und Forscher sind sich einige, in den kommenden Jahren wird er rasant zunehmen. Für Solaranlagen, Windparks oder Elektroautos werden wir weit mehr kritische Rohstoffe benötigen, als momentan aus der Erde geholt werden. Der französische Dokumentarfilmer Guillaume Pitrón beschäftigte sich jahrelang mit Seltenen Erden. Sein Fazit: "Wir, acht Milliarden von uns, werden mehr Metalle verbrauchen als, die 108 Milliarden Menschen, die vor uns gelebt haben."
Die EU-Staaten erhalten ihre kritischen Rohstoffen bisher vor allem von einem Lieferanten, China. Das Land kontrolliert die Lieferketten vieler der wichtigen Materialien.
Als Russland die Ukraine überfiel, stellten die EU-Staats- und Regierungschefs überrascht fest, wie sehr ihre Wirtschaft auf russisches Gas oder Öl angewiesen war. Doch noch abhängiger sind ihre Unternehmen von Seltenen Erden, Lithium oder Magnesium aus China. Das will die EU nun ändern - möglicherweise mit einem hohen Preis für Europäerinnen und Europäer.
Jahrzehntelang kümmerte es Verbraucherinnen kaum unter welchen Bedingungen die Rohstoffe abgebaut wurden, die in ihrem Telefon oder ihrem Fernseher verbaut wurden. Denn sie wurden meist fern von Europa abgebaut. Mit einem neuen Gesetz will die EU nun den Bergbau zurück nach Europa bringen. Im Eiltempo könnten Bergwerke entstehen, in denen Kumpel jene Rohstoffe abbauen, ohne welche das Telefon- und der Fernsehbildschirm schwarz bleiben würden.
Monatelang haben die Reporterinnen und Reporter von Investigate Europe von portugiesischen Hügeln bis ins ferne Nordschweden recherchiert, was der geplante Bergbauboom bedeuten könnte. Sie stießen auf den Widerspruch zwischen einer sicheren Versorgung und einer umweltverträglichen Wirtschaft und fanden unerwartete Lösungen für den Minute für Minute steigenden Rohstoffbedarf.
Wird Europa wirklich in der Lage sein, in kurzer Zeit wieder eine eigene Bergbauindustrie zu betreiben, nachdem diese über Jahrzehnte demontiert wurde? Und wie unabhängig wird ein Kontinent, dessen Rohstoffe von internationalen Konzernen gehoben werden? Wie können es Politikerinnen und Unternehmer schaffen, dass Menschen neue Bergwerke in ihrer Nähe begrüßen statt zu bekämpfen?
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Diese Recherche wurde unterstützt durch das Recherchestipendium für Umweltjournalismus des Journalismfund Europe